Verdis „OTELLO“ – Pr. 20.10.
Der britische Regisseur Graham Vick ist ein bewährter Spielleiter, und so wird Otello modern, zeitgemäß und heutig inszeniert. Otello fährt im Tanker vor, in einen großen Parkett-Boden hinein, wo auch ein ausgebranntes Auto Platz findet und sogar große Brandflecken zu entdeckten sind! (Bühnenbild und Kostüme: Paul Brown). Diese beiden Künstler wurden beim Schluss-Applaus mit nicht wenigen Buhrufen eingedeckt. Man kann sich wirklich fragen, ob es sinnvoll ist, wenn man im Fernsehen täglich das Kriegsgeschehen im Nahen Osten zur Kenntnis nimmt und dann auch noch in der Oper einen Abklatsch vorgeführt bekommt. Es gibt mehrere Absonderlichkeiten. Nicht nur der in eine amerikanische Uniform gekleidet Otello beschmiert sich mit schwarzer Farbe, sondern auch das venezianische Volk. Der Intrigant Jago singt sein berühmtes nihilistisches Credo zu einer Gruppe von Kleinkindern, als würden diese den Inhalt begreifen. Dazwischen ist im 3. Akt selbstverständlich das Fernsehen dabei. Eine leere Bühne ist Desdemonas Gemach, kein Bett, einzig ein Hochzeitskleid hängt an einem Kranhaken. Kein Wunder, wenn die von Todesangst gepeinigte – je nach Interpretation – vor ihrem Tod noch kindisch oder wahnsinnig wird. Wenig Anklang fand die Enthüllung von Plakaten einer schweizerischen Partei so kurz vor den Parlamentswahlen. Raketen bzw. Minaretttürme lösten zwar einen Lacher aus, haben aber nichts auf der Bühne einer Verdi-Aufführung zu suchen.
Besser sieht es in musikalischer Hinsicht aus. Wie schon vor 10 Jahren sang José Cura den Otello. Eigentlich war Peter Seiffert vorgesehen, doch eine hartnäckige Bronchitis verunmöglichte dies. Cura sang das „Esultate“ mehr laut als schön, fand aber bald seine Linie und sang von Akt zu Akt befreitet. Eine imponierend reife Leistung! Mit wandlungsfähigem, wohlklingendem Bariton gab Thomas Hampson ein gutes Rollen-Debüt als Jago, war aber spielerisch zu passiv, zu harmlos. Berührend spielt und singt Fiorenza Cedolins die Desdemona. Mit ihrem hellen, tragfähigen Sopran und beseeltem Spiel erfüllt sie die hohe Erwartungen mühelos. Von den Nebenrollen sei noch die aktive Emilia (Judith Schmidt) und der mit klangschönem Tenor singende Cassio (Stefan Pop) lobend erwähnt.
Chor und Orchester der Oper Zürich unter der Leitung von Daniele Gatti waren zu Beginn arg laut und etwas fahrig, fanden dann aber ihr meist hohes Niveau und wurden vom Publikum lautstark beklatscht.
Fazit: Verdis Oper ist so genial, dass sie auch eine plakativ aktualisierte Interpretation erträgt
Christian J. Huber
Just like 10 years ago José Cura sang Otello. Actually Peter Seiffert supposed to sing, but this was prevented by a persistent bronchitis. Cura sang the „Esultate!“ mor loud than beautiful, but soon found his line and sang freer from act to act. An impressive mature performance!